IAA Mobility 2025: Die Automobilbranche zieht wieder an

Deutschlands automobile Aushängeschilder schließen bei der Elektromobilität auf. Chinesische Konkurrenten expandieren vehement weiter. Zulieferer revolutionieren Lenkung, Bremse und Sicherheit. Das sind Trends, die Kolleg:innen von Wortwerkstatt und netzwerk P von der IAA Mobility 2025 mitgenommen haben, die von 9. bis 14. September in München lief.

Wir hatten uns ja beinahe schon daran gewöhnt, zu hören, was Deutschlands und Europas Autohersteller angeblich alles nicht können: hohe elektrische Reichweiten, schnelles Laden, E-Mobility in erschwinglich oder das Software-definierte Fahrzeug zum Beispiel. Genug gelesen? Auch die etablierten deutschen Autohersteller wollen solche Behauptungen nicht länger stehen lassen, wie auf der IAA Mobility deutlich wurde. Allen voran BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen setzen dort die technologischen Zukunftszeichen, auf die viele gehofft hatten.

BMW iX3 zeigt „Neue Klasse“

Besonders stark schlug der neue BMW iX3 von Bayern aus in der Fachwelt ein: Es ist das erste Serienmodell von vielen kommenden auf der „Neue Klasse”-Plattform. Eine Batterieladung trägt ihn bis zu 805 Kilometer weit. Eine ideale Infrastruktur (und Kühlung) vorausgesetzt, erreicht er dank 800-V-System eine maximale Ladeleistung von 400 kW. Nach nur zehnminütiger Stromdruckbetankung wären so umgerechnet wieder 372 Kilometer in der Batterie. Eine neue zonale E/E-Architektur mit vier elektronischen „Superbrains” lässt Fahrassistenzsysteme schneller und vernetzter denn je regeln – perfekt, wenn immer öfter das Auto selbst das Steuer übernehmen soll. Im Innenraum nutzt ein neues „Panoramic Vision”-System die Windschutzscheibe unten über die gesamte Breite als Display, um Fahrer und Beifahrer zusätzliche Infos auszuspielen.

Mercedes-Benz GLC EQ strahlt als Elektrostern

Allerdings hatte der iX3 die IAA-Bühne nicht nur für sich. Sein direkter Konkurrent, der brandneue GLC EQ von Mercedes-Benz, trat vergleichbar stark auf: Die Elektroversion des bestverkauften „Sterns“ ist gut am prägnanten neuen Grilldesign zu erkennen, das auch der IAA-Stand aufgriff. Dahinter glänzt die Technik: Die Elektroauto-Plattform MB.EA für mittlere bis große Fahrzeuge liefert die Basis für bis zu 713 Kilometer E-Reichweite. Auch den GLC EQ kann man dank 800-Volt-Architektur an öffentlichen 400-V-Stationen schnellladen. Nimmt man den Antriebsstrang unter die Lupe, gibt es eine Übersetzung mehr als im BMW, heißt: ein Zweiganggetriebe. Im Passagierraum bleiben Vornesitzende dank optionalem „Hyperscreen“ über alles im Bild: Vor ihnen breitet sich der mit 99,3 Zentimetern größte Bildschirm aus, den es bislang in einem Mercedes-Benz gab.

VW bringt Einstiegsstromer unters Volk

Wie es um erschwingliche, batterieelektrische Kleinwagen aus Europa steht, beantwortete unter anderem Volkswagen: 2026 soll der brandneue ID.Polo kommen, inklusive der Derivate GTI und Cross sowie einem Einstiegsmodell namens „Every1” für circa 20.000 Euro. Alle vier basieren auf der MEB+-Plattform. An der Namensgebung „ID.Polo“ merken Kenner sofort: Mit ID.3 bis ID.7 ist es künftig ebenfalls vorbei: VW hat schon bestätigt, dass es eine gute „ID“ sei, auch die größeren Stromer wieder unter etablierten Modellnamen vorfahren zu lassen.

Chinesische OEMs machen IAA zu ihrer zweitgrößten Weltbühne

Der gelungene Auftritt der Deutschen darf über eines nicht hinwegtäuschen: Mehr als 30 chinesische Automarken, von Aion bis Zhidou, präsentierten sich dem Münchner Publikum – so viele wie nie zuvor. Alle Aussteller zusammengenommen, stammten 116 (von 748) aus China, 40 Prozent mehr als bei der vorangegangenen IAA Mobility 2023. Das machte die Messe zur größten Bühne für Chinas Autoindustrie außerhalb der eigenen Landesgrenzen. Sie seien nach Europa „gekommen, um zu bleiben “, wurde Stella Li Executive Vice President, BYD, zitiert.

Zulieferer gehen „by wire“ und „over the air“ voraus

„By wire“ lautet die dominierende Devise bei den Zulieferern, zum Beispiel bei ZF oder Bosch. Wie in der Flugzeugsteuerung längst üblich, kommunizieren künftig auch Lenkräder im Auto nur noch per Kabel mit dem eigentlichen Lenksystem, das die Räder einschlagen lässt. Ähnliches gilt bei der Bremse: Ein Tritt aufs Pedal sendet per Kabel elektrische Befehle an die Bremsanlage und ihre elektrischen Stellmotoren – Hydraulikleitungen gibt es nicht mehr. Diese Technologien erlauben es, Assistenzsysteme leistungsfähiger, schneller und energiesparender zu machen.

Sie spielen dann zusammen mit neuer Sensorik für die Umfelderkennung, die auf der IAA ihr Sehvermögen zeigte. Künstliche Intelligenz wird dem Auto helfen, eigenständig zu lernen aus den Bildern, die beispielsweise eine Kamera erfasst. Damit nimmt es die umgebende Welt immer besser wahr. Sollten Lenker:innen fahrunfähig werden, etwa wegen Übermüdung oder aus gesundheitlichen Gründen, übernimmt das Auto und stoppt an sicherer Stelle. Gibt es Funktionsupdates oder neue Features, kommen diese immer öfter per Datenfunk – also „over the air“(OTA)  – ins Auto. Das Prinzip kennen wir gut vom Smartphone.

Mit nachhaltigen Zulieferprodukten und Materialien für Reifen, aber insbesondere fürs Fahrzeuginterieur schließt sich der IAA-Neuheitenkreis: In vielen Modellpremieren umgibt die Insassen bereits recyceltes maritimes Plastik oder veganes „Leder“.

Mobilität packt Menschen

Erfolgsentscheidende Fragen aber lauten: Begeistern sich auch die Menschen noch wie früher fürs Auto, drängen sie sich um die Premierenmodelle, lassen sie sich „packen“ von den neuen Technologien und nachhaltigen Konzepten, die auch andere Verkehrsmittel wie E-Bikes miteinschließen? Alles spricht für ein Ja. Das bestätigen die Live-Eindrücke sowie die Gespräche vor Ort – mit Kunden der Wortwerkstatt und der größeren Agenturfamilie. Das Gefühl verifiziert der VDA: Er vermeldet gegenüber 2023 einen erneuten Zuwachs an Messebesucher:innen beim Summit und beim Open Space. Folglich ist auch die IAA selbst nach München gekommen, um zu bleiben – mindestens für die drei weiteren Ausgaben bis 2031.

Autor

Achim Neuwirth

Senior Berater Content & PR

E-mail: achim.neuwirth@wortwerkstatt.de

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