Nachhaltigkeits-
kommunikation:
Schikane oder Chance?
Nachhaltigkeitskommunikation kann mehr sein als die Erfüllung der Reporting-Pflicht. Mitarbeitende, Kunden und Investoren interessiert es durchaus, wenn Unternehmen in Sachen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung verantwortungsvoll und langfristig agieren. Also sollten sie auch davon erfahren.
Im Interview mit einer Tageszeitung zählte im Frühjahr 2024 ein Firmenpatriarch aus Süddeutschland bürokratische Hemmnisse auf, die seiner Meinung nach den Wirtschaftsstandort Deutschland beeinträchtigen. Oben auf seiner Liste stand die komplexer gewordene Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Zugegeben, wenn man nur auf die Soll-Seite schaut, kommt mit der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) mehr Aufwand auf Unternehmen und ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung zu: sich mit den Reporting-Regeln vertraut machen, Kompetenzen und Zuständigkeiten definieren, die Daten für einen Nachhaltigkeitsbericht sammeln und dokumentieren. Zum steigenden internen Aufwand addieren sich noch externe Kosten für Dienstleister, Wirtschaftsprüfer und für die Publikation des Berichts.
Harte Fakten statt weicher Begriffe
Gehört dieser Aufwand nun in die Kategorie „Schikane“ – oder bietet er nicht auch eine Chance zur Kommunikation? Zunächst einmal: Der Begriff „Schikane“ trifft es ohnehin nicht, denn die neuen CSRD-Regeln sollen Nachhaltigkeitsberichte – ähnlich wie Geschäftsberichte – standardisieren und auf diese Weise vergleichbar machen. Übrigens: Schon allein diese Regeln haben dazu geführt, dass deutlich mehr kleinere und mittlere Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit nun auch in ihre Unternehmensstrategie einbetten.
Und natürlich bieten sich auch Chancen für die Kommunikation. Weil Bewerber:innen, Kund:innen und Anleger den Aspekt Nachhaltigkeit wichtig nehmen , sollten Unternehmen darüber auch berichten. Aber am besten zielgruppengerecht – und das bedeutet: über den eigentlichen Nachhaltigkeitsbericht hinaus.
Wen interessiert’s? Na, Eure Zielgruppen!
Beispiel Mitarbeitende und Bewerber:innen: Gewinnstreben und der Ausblick auf eine erfolgreiche Karriere allein reichen heute oft nicht mehr, um High Potentials zu gewinnen. „Purpose“ ist auf dem Vormarsch. Stepstone hat ermittelt, dass 68 Prozent der Bewerber:innen gezielt nach Nachhaltigkeitsaktivitäten des künftigen Arbeitgebers recherchieren. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung befragte über 1.200 Arbeitnehmer zur Bedeutung von Nachhaltigkeit im Unternehmen. 49 Prozent nannten dies als wichtiges Ziel, ein Anstieg von 12 Punkten im Vergleich zu Dezember 2020.
Was Kunden erwarten und Geldgeber mögen
Weitere wichtige Zielgruppen sind Kunden und Investoren. Laut PwC betrachten 70 Prozent der befragten deutschen Unternehmen ihre Kunden als stärkere Antreiber in Richtung Nachhaltigkeit als die neuen Reporting-Regeln. Nach dem Motto „Nachhaltig muss ich doch ohnehin sein“ akzeptieren sie längst den Markt als Haupttreiber für viele Produktinnovationen, die effizienter sind, weniger Bauteile haben oder mehr recyceltes Material einsetzen.
Und auch die Wall Street hat das Thema Nachhaltigkeit längst für sich entdeckt: Sogenannte „ESG“-Anlagen (Environment, Social, Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) sind nach Beobachtung von Deloitte ein Riesentrend auf dem Anlagemarkt. Sicherlich kommt nicht jeder Mittelständler, der jetzt einen Nachhaltigkeitsbericht gemäß CSRD machen muss, für einen ESG-Fond in Frage. Aber die Praxis, auf diese Faktoren zu schauen, wird sich bald ausbreiten. Wer seine Nachhaltigkeits-KPIs strategisch im Griff hat, bekommt dann auch von seiner Hausbank ein besseres Kredit-Rating.
Fazit: Der Bericht ist erst die halbe Miete
Nachhaltigkeitskommunikation ist wichtig – sie ist auf dem Weg zum integralen Bestandteil von Unternehmenskommunikation. Ganz ähnlich wie sich ein Unternehmen nicht auf die Publikation eines Geschäftsberichts verlassen kann, um seinen Markenkern in einer breiten Öffentlichkeit zu verankern, wird es auch beim Thema Nachhaltigkeit laufen. Was im Bericht steht, sollte als Steinbruch gesehen werden, aus dem sich gute Kommunikatoren bedienen, um Themen noch einmal aufzubereiten, zu verdichten oder zu vereinfachen – je nach Zielgruppe und Gelegenheit. Das kann eine „Making-of“-Video-Serie im Intranet sein, von wem und wie der Bericht zusammengetragen wurde und was dem Team dabei aufgefallen ist. Das können Posts auf LinkedIn mit plakativ aufbereiteten Kennzahlen sein. Oder warum nicht eine (interaktive) Grafik auf der Unternehmens-Website, die unterhaltsam den Bogen spannt vom einstigen Status Quo über das bereits Erreichte bis zu den Plänen für die Zukunft? Und dann ist das, was man zunächst für ein „Bürokratiemonster“ gehalten hat, vielleicht ein Glücksfall.