Was macht der KI-Rausch mit PR?

Welche Chancen und Risiken bringen die Content-Tools mit künstlicher Intelligenz (KI) für die Wortwerkstatt als etablierte Agentur in der Kommunikationsbranche? Schürfen wir doch mal unter der Hype-Oberfläche und sieben ein paar Antworten heraus.

Die Verheißungen der KI-Welt ziehen Entwickler und Nutzer derzeit an wie einst die Klondike-Claims die Goldgräber.  Inzwischen (Stand: 24.10.2023) gibt es schon rund 9.000 verschiedene Tools; auch für Medienschaffende kommen gefühlt täglich neue hinzu. Die Werkzeuge sollen potenziell immer mehr redaktionelle und organisatorische Aufgaben vereinfachen oder sogar komplett übernehmen. Nur, Spoiler, den Platz von Content-Profis wie uns Wortwerker:innen einnehmen können sie auf absehbare Zeit nicht.

Fast Content-Food

Ob als Office-Paketergänzung oder als separates Tool: Klopfen hochtalentierte, superschnelle neue Assistenten an, muss man diese als Agentur einfach willkommen heißen; und die bestgeeigneten einsetzen, soweit es sinnvoll ist und es Datenschutz sowie Geheimhaltungsvereinbarungen gestatten.

 

Die „KIs“ erstellen für uns daher vereinzelt schon grobe Textgrundlagen – kurze besser als lange, wie wir finden. Audio-Interviews können sie im Nu transkribieren. Auch als Sparringspartner für erste Konzeptideen, Headlining, Brainstormings oder Grafikskizzen machen sie sich gut. In Sachen Organisation, Projekt- und Datenmanagement zeigen sie ebenso Potenzial. Und bei Web-Recherchen gefällt uns besonders, dass die KI auf Fragen nicht nur Links ausspuckt, sondern wohlformulierte Antworten gibt. Bloß nicht immer die richtigen …

Nicht alles Glänzende ist Gold

Auch bei künstlichen „Intelligenzmaschinen“ gilt: Der Input und die Bedienenden bestimmen das Ergebnis. Man muss vorab eine gute Vorstellung haben von dem, was man beziehungsweise ein Kunde gerne als Ergebnis hätte. „Briefen“ will wie immer gekonnt sein, auch wenn es „Prompten“ heißt. Und für die abschließende Kontrolle, da Qualität und korrekte Inhalte in unserem Metier unverhandelbar bleiben, braucht es fachkompetente Menschen ohnehin.

 

Eine Text-KI schert sich schließlich nicht um richtig oder falsch, ebenso wenig um klug oder dumm. Und sie halluziniert immer wieder gerne. Die Tools haben primär nicht Wissensvermittlung, sondern gute Formulierungen zum Ziel. Also füllen die Generatoren auch Infolücken geschickt damit – beziehungsweise mit dem, was sie aller Wahrscheinlichkeit nach für das Passendste halten.

 

Erst der humane Expert:innencheck klärt, ob Inhalte, Zusammenhänge und Tonalitäten stimmen und stimmig sind, ob die Auto-Transkription das Gesprochene verstanden hat und das Übersetzungstool auch Zielsprachen-Natives zufriedenstellt. Aktuell kostet dieses Redigieren der Generatorenergebnisse oft so viel Aufwand, dass es den anfänglichen Zeitvorteil des KI-Supports wieder auffrisst.

 

Redakteur:innen schaffen, was KI findet

Doch, machen wir uns nichts vor, die Tools werden rasch leistungsfähiger. Längst gibt es den von Tech-Giganten mitbefeuerten Trend, vergleichsweise einfachen Standard-Content künftig der KI zu überlassen. Dann bleibt tatsächlich mehr menschliche Kapa für alle hochwertigen und einzigartigen Geschichten: für die Vor-Ort-Reportage zum aktuellen Ereignis, die Erstveröffentlichung zur Produkt- und Technologieinnovation, das authentische (Video-)Interview und Posting oder auch den fundiert-unterhaltsamen Podcast, Kommentar und Magazinartikel.

 

Die KI-Webscraper gieren nach derartigen Informationen. Nur damit können die Maschinen tatsächlich dazulernen, uns Aktuelles und vor allem Reales zurück ausspielen. Umgekehrt profitieren wir von den neuen Tools; sie werden unsere Arbeit stark verändern, uns immer effektiver helfen. An unsere Stelle, wie eingangs erwähnt, treten sie jedoch nicht. Steigt der Fluss der automatisch generierten Einheitsnachrichten nämlich weiter unkontrolliert an, werden die Inhalte mit menschlichen Kompetenzanteil bald zu den wahren, begehrten Nuggets der PR.

 

Autor

Achim Neuwirth

Senior Berater Content & PR

E-mail: achim.neuwirth@wortwerkstatt.de

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