KI trifft Reality – auf Hype folgen Hausaufgaben

Das laute Getöse um Künstliche Intelligenz ebbt ab. Alltagsanforderungen treten in den Vordergrund. Dazu zählen „Hausaufgaben“ wie etwa die Klärung, was die tatsächlichen Use Cases, die juristischen Rahmenbedingungen und die wirtschaftlichen Erfolgsschlüssel sind. Dieser Blogpost beleuchtet, was das für die Anbieter der KI-Technologie und die beruflichen Nutzer:innen heißt.

Die News rund um Künstliche Intelligenz hören sich so an, als hätte den Tech-Gurus jemand den Euphoriestecker gezogen. Von Kommunikator:innen – einer von Sprachmodellen vermeintlich besonders bedrohten Spezies – kommt vereinzelt sogar ein Mix aus Schadenfreude und Erleichterung: „Haha, schau mal, wie viele KI-Start-ups jetzt struggeln oder pleite gehen, hab‘ ich doch gewusst, dass das nichts wird mit KI.“

 

Dabei handelt es sich um eine Missinterpretation der Faktenlage. Allen sollte klar sein: KI geht nicht mehr weg. Die aktuellen Entwicklungen zeigen nur, dass sie nun in der Realität angekommen ist, zum Beispiel: [1] im Alltag privater und beruflicher User:innen (mehr dazu direkt bei PwC), [2] in Form von gesetzlichen Beschränkungen und [3] in der wirtschaftlichen Selbstverständlichkeit, dass sich gewaltige Innovationsinvestitionen irgendwann auszahlen müssen.

KI kennt man

Punkt eins, die neue „Nutzungsnormalität“ von Wunderwerkzeugen, die wir uns vor Kurzem noch nicht einmal vorstellen konnten, ist schnell abgehakt: Chat GPT oder auch Microsofts Copilot zückt fast jede:r inzwischen als digitales Universaltool für alles Mögliche (manche auch für Unmögliches, logisch). Die Berufswelt durchdringen die Anwendungen so schnell, dass rückblickend sogar das Internet-Einführungstempo lahm erscheint.

 

Zoomen wir betrachtungsmäßig in unsere PR-Bubble, wandeln sich generative Modelle bei vielen Agenturen zunehmend vom netten Hilfstool zu einem neuen, zusätzlichen Business Case. In der Recherchearbeit tritt unter anderem „Perplexity.AI“ an, Google als Suchmaschine den Rang abzulaufen; dementsprechend ist „Plexen“ statt Googeln angesagt – zumindest so lange, bis Alphabet mit Ähnlichem nachzieht. Die gewaltigen Möglichkeiten der KI-Bild- und -Videowerkzeuge, von Midjourney und Dall-E über Adobe Firefly bis hin zu Synthesia und HeyGen, begeistern Content-Kreierende sämtlicher Könnensstufen. Und das schnelle Übersetzen einfacher Texte – sowie einiges mehr – klappt per „Deepl“ molto bene.

KI ist kein Outlaw

Zweitens geht es um die Freiheiten, die diese Tools bieten. Diese sind nur scheinbar unendlich. Den Anwendungen und damit auch uns als Nutzerinnen sind juristische Grenzen gesetzt. Gerade beim beruflichen KI-Einsatz ist daher Achtsamkeit angesagt. Alles, was die Modelle für uns generieren – „neue“ Texte genauso wie Grafisches – kann Urheberrecht, geistiges Eigentum und Markenrechte verletzen. Füttert man die KI über den eigenen Prompt mit Vertraulichem oder Personenbezogenem aus der Firma, verschafft man schlimmstenfalls der gesamten Web-Öffentlichkeit Zugang dazu. Arbeitgeber kennen diesbezüglich keinen Spaß; auch die EU nicht, wie ihr jüngst veröffentlichter AI Act beweist.

KI kostet

Die Binsenweisheit, dass nichts im Leben umsonst ist, führt direkt zu Punkt drei: Kaum ein KI-Tool ist kostenlos. Gratisversionen bezahlen wir in der Regel mit unseren Daten. Und alles andere kostet Geld. Dabei zeigt sich, dass offenbar alle noch so teuren Einzelabos und Anzeigeneinnahmen zusammen nicht einbringen, was die Anbieter in ihre Modelle investieren müssen.

 

Alleine die IT-Infrastruktur für die generative KI wird Tech-Konzerne in den nächsten Jahren eine Billion Dollar kosten, schätzt Goldman Sachs. Sequoia Capital kalkuliert, dass die Branche 600 Milliarden US-Dollar jährlich für Chips und Rechenzentren braucht. Ebenso heftig: Um das kommende Chat-GPT-5 zu entwickeln, wird Open AI 5 bis 7 Milliarden US-Dollar locker machen müssen, vermuten Expert:innen (die generellen Finanzierungsrunden laufen aktuell gut). Solche Dimensionen dürften immer mehr kleinere Start-ups ins Straucheln bringen. Selbst die Tech-Giganten können derartige Investitionen bald nur noch stemmen, wenn sie abermals mehr große Unternehmenskunden mit revolutionären Lösungen überzeugen. Denn derzeit – trotz der rasanten Durchdringung – scheint die teure KI dort noch in zu wenigen Bereichen die erhofften transformativen Riesenvorteile zu bringen, noch wirkt sie nicht kosteneffizient genug.

KI macht Spaß und Ernst

Der Anfangseuphorie in puncto KI war übertrieben, der Zeithorizont zu kurz gedacht, die Erwartung an schnelle Gewinne überzogen. Diese Hype-Symptome sind jetzt abgeklungen. Eine neue Phase liegt vor uns: Freuen wir uns darauf, den bisherigen Spaß am Ausprobieren mit der ernsthaften Nutzung zu verbinden: verantwortungsvoll, rechtskonform und erfolgsorientiert. Das macht fit für den Umgang mit immer mehr KI-Tools, die sich von „Nice-to-have“-Produkten zu absoluten Must-haves entwickeln. So werden sich die Modelle wahrscheinlich bald richtig rentieren – für Unternehmenskunden und für Anbieter.

Autor

Achim Neuwirth

Senior Berater Content & PR

E-mail: achim.neuwirth@wortwerkstatt.de

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