Mit Vollstrom
zu neuen
Umsätzen

Die großen Automobilzulieferer drängen ins den boomende E-Bike-Business. Womit? Mit Technologie- und System-Know-how. Das sorgt für Innovationen und eine enorme Antriebsvielfalt.

Jetzt machen sie auch auf zwei Rädern mobil: Automotive-Zulieferer drängen auf den stark wachsenden E-Bike-Markt, wie ein Rückblick auf die Eurobike zeigt.

 

Es ist einfache Physik: Je leichter die Fahrzeuge und je kürzer die Strecken, umso sinnvoller ist bei aktuellem Technikstand die E-Mobilität. Eine Folge sind jährlichen Dauer-Zuwachsraten zwischen 15 und 20 Prozent bei Pedelecs und E-Bikes, ein echter Mega-Boom also. Da wundert es umso mehr, dass das Gros der Automobilzulieferer – eigentlich allesamt Technologieführer im Bereich elektrischer Antriebe und Steuerungstechnologie – bislang weitgehend dem aktuellen Branchenprimus Bosch beim Geldverdienen auf diesem lukrativen Markt zusahen.

Fünf von sieben „Big Playern“ –
die Großen kurbeln die Elektrifizierung an

Bis jetzt, denn auf der diesjährigen Leitmesse Eurobike blies gleich eine ganze Reihe von Automotive-Konzernen zum Angriff auf den schwäbischen Marktführer. Nach bisher eher halbherzigen Versuchen zeigten Continental und Brose dort neue E-Bike-Antriebe mit topmoderner Technik und sehr guten Leistungswerten. Auch Schaeffler mischt nun bei urbaner Mikromobilität mit. Das unterstrich das Unternehmen nicht nur mit einem innovativen Motorkonzept mit Automatikschaltung und umfangreicher Sensorik; es präsentierte auch gleich den Prototyp eines vierrädrigen City-Gefährts mit Cabrio-Dach. Dieses kann führerscheinfrei 25 km/h schnell gefahren werden.

Last but not least feierte unser Kunde ZF auf der Eurobike seinen Markteintritt im E-Bike-Sektor, und zwar im Rahmen eines Joint Ventures namens Sachs Micro Mobility. Die Spezialisten für Antriebs- und Fahrwerktechnik taten sich dafür mit Partnerfirmen für Batterien sowie Brems- und ABS-Technik zusammen und können daher fast alle High-Tech-Komponenten für E-Bikes aus einer Hand liefern. Ganz nebenbei wurde hierfür auch noch der traditionsreiche Name Sachs (man denke nur an die Sachs Torpedo-Dreigang-Nabenschaltung für Fahrräder) wiederbelebt.

Summa summarum sind damit nun insgesamt fünf der sieben umsatzstärksten Automobilzulieferer Deutschlands auch mit Technologien für elektrische Zweiräder am Start. Auf eine baldige (weitere) Ankurbelung des Markts können sich E-Bike-Fans nicht zuletzt deshalb freuen, weil sich Branchenprimus Bosch für kommendes Jahr mit Innovationen spürbar zurückgehalten hat.

Es darf auch noch kleiner sein –
Urban-E-Mobility mit Rucksack

 

Für eine solche Belebung sorgen immer mehr auch Zulieferer aus der zweiten Reihe, wie etwa die Franken von Metz mecatech. Der Spezialist für Kunststofftechnik und Fotoblitze überraschte auf der Friedrichshafener Messe nicht nur mit einem ebenso kräftigen wie kompakten neu entwickelten E-Bike-Antrieb, sondern präsentierte mit dem „Moover“ auch noch einen E-Tretroller – neudeutsch „Kickscooter“ – mit 20 km/h Topspeed. Nach der laut Hersteller kurz bevorstehenden Zulassung für den deutschen Straßenverkehr wäre das kompakte Gefährt genau das richtige für gestresste Pendler, um schnell und mit viel Fahrspaß die „letzte Meile“ zur nächsten S-Bahn-Haltestelle unter die 12-Zoll-Räder zu nehmen. Die gleiche Zielgruppe steuert BrakeForceOne, ein Partner von Sachs Micro Mobility, mit dem im Vergleich nochmals deutlich kompakteren E-Tretroller „Flynn“ an. Das schicke Lifestyle-Gefährt kann via USB-Stecker geladen werden und punktet mit nabenlosen Rädern sowie seiner kompakten Bauweise. Gut dabei: Mit pfiffiger Falttechnik, nur sieben Kilogramm Gewicht und einem maßgeschneiderten Tragerucksack nervt der „Flynn“ die Mitpendler selbst in vollgestopften S-Bahnen nicht.

 

Apropos leicht: Mit zwei blitzsauberen Konzeptbikes auf Basis eines modular aufgebauten Carbon-Rahmens nebst CFK-Schwinge zeigte der auf Automotive-Leichtbaukomponenten spezialisierte Zulieferer Mubea seine Kompetenz auch im Bereich der Bike-Technologie. Ganz nebenbei wird die halbautomatische Fertigungstechnologie der CFK-Teile von den Sauerländern gleich mitgeliefert, so dass auch eine Produktion hierzulande kalkulierbar wird. Konsequenterweise hat das Entwicklungsteam dazu noch eine gekapselte Motor-Getriebe-Einheit mit 8-Gängen sowie einen maßgeschneiderten Akku entwickelt.

 

Fazit: Nach stürmischen Anfangsjahren und einem auch weiterhin nicht absehbaren Ende des E-Bike-Booms bewirkt das steigende Umsatzvolumen eine deutliche Professionalisierung und große technische Innovationsschübe für die Branche. Alleine für das Gesamtjahr 2018 ist in Deutschland ein E-Bike-Absatz zwischen 800.000 und 900.000 Einheiten prognostiziert. Zum Vergleich: alle Zweiräder mit Verbrennungsmotor (von der Vespa bis zum Superbike) kommen auf rund 150.000 Stück. Das starke Engagement speziell der großen Automobilzulieferer bringt für Fahrradhersteller zugleich eine enorm breite Auswahl bei der Antriebstechnik. Ob diese angesichts vermeintlich paradiesischer Zustände im Materialeinkauf auch in Sachen Produktion und Marketing Schritt halten können, ist eine spannende Frage der kommenden Jahre. Erste Prototypen mit den neuen Motoren sind für das Frühjahr 2019 zu erwarten.

 

P.S.: Streng genommen umfasst der Begriff „E-Bikes“ nur jene Zweiräder, bei denen die Geschwindigkeit mit einem Hebel oder Drehgriff reguliert wird. Im Artikel schließt das – angepasst an den realen Sprachgebrauch – jedoch auch die Produktgruppe der „Pedelecs“ mit ein, die zusätzlich einen Pedaleinsatz verlangen.

Autor

Arnd von de Fenn

Senior Berater Content & PR

E-mail: arnd.vondefenn@wortwerkstatt.de

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