Und es hat
Vroom gemacht

Motorsounds sind Teil der automobilen Markenstory. Aber was machen Sounddesigner, wenn ein (E-)Motor gar keine Geräusche mehr von sich gibt? Ganz einfach: Sie gehen ins Tonstudio.

Am Anfang dieser Geschichte steht ein kurzer Moment der Andacht. Wir hören das heisere Fauchen eines Porsche 911 GT3, das bedrohliche Leerlauf-Knurren eines Maserati-Achtzylinders und das unternehmungslustige Hecheln eines Land-Rover-Defender-Aggregats. Motorsounds waren seit jeher Teil der jeweiligen Auto-Markenstory. Es stellt sich die Frage, wie diese Geschichte im Zeitalter der E-Mobility und der flüsterleisen elektrischen Antriebe weitergeht.

Abgasanlage als Motorsound-Trompete

Immerhin sind die Entwicklungsabteilungen der Hersteller gut besetzt mit Soundspezialisten. Besonders hohe Bedeutung hat das Thema für Sportwagenhersteller, beispielsweise aus der malerischen Gegend um Weissach:

Bei Fahrzeugen in dieser Preisklasse ist der Sound auch ein Unterscheidungsmerkmal – nicht nur vom Wettbewerb, sondern auch vom „Otto Normalverbraucher“.

 

Solche Motorsound-Entwicklungen gingen zunächst über die reine Akustik weit hinaus. Die Kunst bestand darin, die Geräuschentwicklung in der Motormechanik und deren Verstärkung in der Abgasanlage so zu beeinflussen, dass das gewünschte Ergebnis herauskam. Lange Jahre waren also die automobilen Soundentwickler wahre Ingenieurs-Generalisten mit richtig viel Ahnung von allem, was zwischen Zylinder, Nockenwelle und Auspuffrohr so vor sich geht.

Es wird brachial: Soundtuning

Doch es blieb nicht bei den quasi „natürlichen“ Klängen, die ein Verbrenner von sich gab. Auch Lautsprecher und künstlich erzeugter Klang kamen alsbald beim Motorsound zum Einsatz. Dank „Active Sound“ kann nun der Motor eines Fiat Cinquecento rein theoretisch mit einem Ferrari um die Wette brüllen. Das faszinierte vor allem die Tuning-Szene. Mehr oder weniger legale Bausätze lassen sich via Internet beschaffen. Doch Vorsicht beim Einbau: Die Polizei ist sensibilisiert und legt auch schon mal ein Fahrzeug still, das überlaut durch die Innenstadt möhrt.

Zur Ehrenrettung von „Active Sound“ sei erwähnt, dass sich das auch ganz anders einsetzen ließe: nämlich zum Herausfiltern störender Frequenzen und damit zur Reduzierung von Motorgeräuschen. Ähnlich wie bei einem NC-Kopfhörer (für Noise Cancellation) lassen sich dank aktiver Lautsprecher Störgeräusche durch Antischall eliminieren.

Noise Creation statt Cancellation

Doch beim Automobil geht es aktuell nicht um Noise Cancellation, sondern vielmehr um Noise Creation – jedenfalls bei jenen Fahrzeugen, die von Natur aus extrem leise sind: den E-Mobilen. In der EU und in den USA müssen seit Jahresbeginn elektrisch angetriebene Fahrzeuge für Fußgänger gut hörbar sein, notfalls eben mit künstlich erzeugtem Sound. Das betrifft vor allem den Geschwindigkeitsbereich unter 20 km/h. Fahren E-Fahrzeuge schneller, sorgt das Reifenabrollgeräusch für eine ähnliche Außenakustik wie bei konventionell betriebenen Pkw. Einige Hersteller (wie Daimler) orientierten sich stark am Gesetzestext: Der künstliche Motorsound der E-Fahrzeuge soll sich in Frequenzbereich und „Dynamik“ (sprich: Modulation) an Verbrennern orientieren (Hörbeispiel hier).

BMW lotete die Möglichkeiten intensiver aus und witterte wohl die Chance, sich dabei vom Wettbewerb abzusetzen. So haben die Münchner jüngst den Filmkomponisten Hans Zimmer engagiert, um einen Hollywood-reifen Sound ihres Fahrzeugkonzepts Vision M Next zu kreieren. Dabei geht es nicht nur um Filmmusik, sondern tatsächlich auch um die Klangkulisse, die das Fahrzeug erzeugt, wenn es im „Boost+“-Modus alle zur Verfügung stehenden Beschleunigungskräfte entfaltet (Hörbeispiel hier).

Der Filmkomponist Hans Zimmer (links) und Renzo Vitale, Akustikingenieur und Sound Designer bei der BMW Group, tüfteln am elektrischen Sound für den BMW Vision M NEXT in Zimmers Tonstudio in Los Angeles.

Die Zimmer-Aktion ist der Startschuss zu etwas, das das BMW-Marketing „Iconic Sounds Electric“ nennt – E-Mobilität soll über den Sound zum besonderen Fahrerlebnis werden. Logische Konsequenz: Die entsprechende Soundkulisse bucht der Kunde irgendwann als Ausstattungsextra.

Motorsound-Do-it-yourself?

Gesetz hin oder her: Das Thema Motorsound ist also nur schwer von der Emotion zu trennen und bleibt Teil des persönlichen Fahrerlebnisses. Allerdings bei E-Mobilen mit deutlich mehr künstlerischen Freiheiten und weniger Ingenieurswissen. Der Phantasie über die Zukunft der Motorsounds im E-Zeitalter sind damit keine Grenzen gesetzt. Vielleicht öffnet ja bald schon ein Hersteller die Schnittstellen für die individuellen Vorlieben der angehenden Autobesitzer selbst. Dann heißt es beim E-Autokauf: „Bring your own motor sound“. Eine Entwicklung wie bei Klingeltönen fürs Handy könnte beginnen. Wer sich dafür schon mal die entsprechenden Synthesizer-Kenntnisse aneignen will: Nur zu!

Autor

Andreas Neemann

Senior Berater Content & PR

E-mail: andreas.neemann@wortwerkstatt.de

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